Zehn Überlegungen für eine wirkungsvolle Klimapolitik
Auszug aus meinem Buch "Wirkungsvolle Klimapolitik" (Avenir Suisse, 2021), zusammen mit Lukas Rühli
Die politische Interpretation der Klimadaten und daraus abgeleitete Massnahmen dürfen nicht Befürwortern von radikalen Schritten, Umverteilung und Industriepolitik überlassen werden. Es braucht starke liberale Stimmen, um die gesteckten internationalen und nationalen Ziele zu erreichen, ohne dass auf dem Weg dahin Symbolpolitik betrieben wird. Dazu braucht es Aufklärung, denn eine wirksame Klimapolitik schöpft ihre Kraft auch aus der Legitimation und Akzeptanz in der Bevölkerung.
Zehn Überlegungen dazu:
01_ Klimawandel ist ein globales Problem, das die wirtschaftliche Wertschöpfung fast in ihrer ganzen Breite betrifft. Damit unterscheidet es sich fundamental von den meisten anderen Umweltproblemen, die sich lokal auswirken (z.B. Belastung mit Feinstaub). Auch wenn die globalen Kosten zur Bekämpfung des Klimawandels kleiner sind als die globalen Folgekosten der Tatenlosigkeit, ist der lokale Nutzen lokaler Klimamassnahmen kaum zu spüren.
02_ Der Treibhausgas (THG)-Ausstoss der Schweiz ist im globalen Kontext vernachlässigbar. Trotzdem sollte die Schweiz im Einklang mit multilateralen oder plurilateralen Bestrebungen ihren THG-Ausstoss reduzieren. Sie könnte als Vorbild aufzeigen, dass eine Emissionsreduktion dank marktnaher Instrumente soziale oder wirtschaftliche Nachhaltigkeitsziele nicht beeinträchtigt. Können so Nachahmer gewonnen werden, wäre der Hebel der Schweizer Klimapolitik grösser als nur durch die inländische Wirkung.
03_ Der THG-Ausstoss der Schweiz stoppt nicht an ihren Landesgrenzen. Der Warenkorb unserer konsumierten Güter enthält einen hohen Anteil an im Ausland emittierten THG. Die THG-Reduktion sollte sich deshalb nicht auf das Inland beschränken, sondern das Ausland miteinbeziehen. Vorgaben zu einem minimal im Inland zu erreichenden Reduktionsanteil sind weder zweckmässig noch effizient.
04_ Eine globale Lenkungsabgabe (pro Tonne THG) in weltweit gleicher Höhe mit Rückverteilung an die Weltbevölkerung oder ein globales EHS wären die ökonomisch effizientesten Ansätze. THG würden international dort vermieden, wo die Kosten am geringsten sind. In Ländern wie der Schweiz mit ohnehin schon geringer THG-Intensität der Wertschöpfung würde ein Alleingang und die Fokussierung auf inländische Massnahmen im Vergleich zu einer global koordinierten Lösung ein Vielfaches der Vermeidungskosten pro Tonne THG verursachen.
05_ Ein globales, marktbasiertes System zur THG-Reduktion dürfte kaum realisierbar sein, auch nicht im Rahmen des Übereinkommens von Paris. Doch die Schweiz könnte aufgrund der Klimapolitik bedeutender Handelspartner unter Druck kommen. Ein Ansatz mit Massnahmen im In- und Ausland ist deshalb am besten. Dies könnte dazu führen, dass die Schweiz nicht nur – wie heute – Teil eines Emissionshandelssystems (EHS) zusammen mit anderen Ländern ist, sondern auch Mitglied eines Klima-Clubs.
06_ Bei Auslandskompensationen darf es nicht zu Doppelzählungen kommen, indem sowohl Konsum- als auch Produktionsland die identischen Einsparungen ausweisen. Für die Anrechenbarkeit an die Klimaziele des finanzierenden Landes braucht es transparente, internationale – oder zumindest bilaterale Regeln. So wie sie die Schweiz bereits mit verschiedenen Ländern vereinbart hat.
07_ Die Erträge aus der Belastung der THG-Emissionen sollten an die Bevölkerung zurückverteilt oder in einem Fonds angespart werden, um die Negativemissionen nach 2050 zu entgelten und künftige Anpassungsmassnahmen an den Klimawandel zu finanzieren. Letzteres würde auch die Generationengerechtigkeit erhöhen.
08_ Die Klimapolitik sollte nicht mit anderen Politikzielen vermischt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Verkehrspolitik, die auf die effiziente Nutzung der Kapazitäten fokussieren sollte, ohne dabei auch noch klimapolitische Zielsetzungen zu verfolgen. Insbesondere muss der Versuchung widerstanden werden, Klimapolitik auch für industriepolitische Interessen zu missbrauchen. Die realpolitische Vermengung gewerblicher und grüner Interessen schadet der Effektivität und Effizienz klimapolitischer Massnahmen.
09_ Der technologische Fortschritt wird für die Dekarbonisierung des Wirtschaftslebens von zentraler Bedeutung sein. Staatliche Technologiegebote oder -verbote stehen dieser Entwicklung diametral entgegen. Zu den staatlichen Rahmenbedingungen gehört, das Ziel festzulegen, aber nicht, auch die Technologie für die Zielerreichung zu bestimmen.
10_ Eine liberale Klimapolitik verschliesst die Augen nicht vor der Tatsache, dass der Klimawandel im besten Fall stark abgebremst, aber trotz der internationalen Bestrebungen nicht verhindert werden kann. Neben der Klimapolitik sollte die Schweiz auch Massnahmen im Inland ergreifen, um sich bestmöglich an die steigenden Temperaturen anzupassen. Dazu sind nicht mehr, sondern weniger staatliche Auflagen notwendig, damit die privaten Akteure Risiken besser begegnen und die Chancen nutzen können.